Familienberichte

Betroffene Familien erzählen Ihre Geschichte

Hier finden Sie sehr persönliche Erfahrungsberichte über die Umstände, die zur Erkrankung der Kinder geführt haben, wie die Familien gelernt haben mit der Nierenerkrankung zu leben und wie sie ihr Leben und den nicht ganz so alltäglichen Alltag meistern.

Theos Geschichte

Die Schwangerschaft mit meinem zweiten Sohn Theo verlief eigentlich ganz normal. Als wir in der 20. Schwangerschaftswoche erfuhren, dass er einen Nierenstau oder Zysten an der Niere hätte, wurden wir zum Spezialisten nach Augsburg geschickt. Ich hatte natürlich ein mulmiges Gefühl und ich war sehr aufgeregt. Beim Professor in Augsburg stellte sich heraus, dass Theo „nur“ einen Nierenstau hätte. Man sagte uns, wenn er nach der Geburt Wasser lassen könnte, wäre alles in Ordnung. Später sollte sich noch herausstellen, dass dies ein Trugschluss war. Nun bat mich der Prof. alle 14 Tage zur Untersuchung zu kommen. Ich war nicht begeistert, da diese Untersuchungen für mich und somit auch für den Kleinen, jedes Mal mit psychischem und körperlichen Stress verbunden wären. Um sicher zu gehen, wie wichtig die Untersuchung für Theo sei, hakte ich nochmal nach. Der Prof. machte mir klar, dass man nur nachsehen und auf keinen Fall vorher eingreifen würde. Daraufhin schlug ich vor, weiter zu meiner Gynäkologin zu gehen und der Prof. hatte nichts dagegen. Er bat mich nur, sofort nach der Entbindung einen Ultraschall bei Theo vornehmen zu lassen. Natürlich willigte ich ein und meldete mich zur stationären Entbindung im Zentralklinikum in Augsburg an. Die Schwangerschaft lief relativ normal ab. Ich versuchte mich nicht stressen zu lassen und hoffe darauf, dass alles halb so schlimm wäre. Zum Glück fragte ich auch nicht weiter nach oder recherchierte im Internet. So konnte ich eine ruhige Schwangerschaft erleben. Theo hatte sich 14 Tage vor Entbindungstermin entschlossen auf die Welt zu kommen. Die Geburt lief problemlos und schnell ab. Theo war um 5:56 Uhr da. Für einige Stunden war alles: „Friede, Freude, Eierkuchen“. Theo pieselte mir, zu unserer großen Freude, gleich nach der Geburt auf den Bauch.

Wir hatten den Ultraschall natürlich nicht vergessen, da aber Feiertag war und der zuständige Arzt wohl erst geholt werden musste, vertröstete man uns immer wieder. Das Warten begann. Auf Drängen meines Mannes hin, konnte um ca. 20 Uhr endlich ein Arzt gefunden werden, der das Ultraschall-Gerät bedienen konnte. Beim Ultraschall stellte sich heraus, dass die Blase und ein Nierenbecken mit Urin gefüllt waren. Es musste sofort gehandelt werden. Der Arzt legte daraufhin einen Blasenkatheter durch die Harnröhre, was bei so einem kleinen Kind viel Geduld erfordert. Ich wartete, noch ziemlich erschöpft von der Geburt, im Zimmer auf Station. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen Theo, mein Mann und der Chirurg zu mir ins Zimmer. Der Arzt erklärte uns die Vermutung seinerseits. Er könne heute noch keine sichere Diagnose stellen, aber er nahm an, dass Theo Urethralklappen (kleine segelähnliche Häutchen in der Harnröhre) habe und deshalb im Mutterleib und auch jetzt nur unter sehr hohem Druck Wasserlassen könne. Man würde ihn erst ab einer gewissen Größe operieren, da es so kleine Geräte nicht gibt. In der Nacht wurden wir dann auf die Kinderchirurgische Station verlegt. Am nächsten Tag klärte man uns weiter auf. Theo hatte Urethralklappen. Deshalb hatte sich die Blase riesengroß aufgestaut und die Nieren konnten sich nicht richtig entwickeln. Der Harnleiter war auch erweitert. Da sich Theos Werte verschlechterten verlegte man ihn allein auf die Intensivstation (in der Nacht). Wenn man Intensivstation hört, denkt man erst mal an Lebensgefahr und ist total am Boden. Die Schwester dort erklärte mir alles und versuchten mich zu beruhigen. Es sei nur für die Nachtschwester, die allein auf der Chirurgischen Station sei, zu viel Arbeit und Verantwortung. Entschuldigung, aber das Wort „Intensivstation“ macht einem einfach eine unglaubliche Angst und da helfen auch die beruhigenden, sanften Worte einer Intensiv-Schwester nicht im Geringsten.

Theo bekam nach ein paar Tagen einen Katheter durch die Bauchdecke (suprapubischer Blasenkatheter). Er durfte nach ca. einer Woche die Intensivstation verlassen und wurden auf die sog. „Päppelstation“ verlegt. Nach zwei weiteren Wochen wurden wir mit dem Schlauch im Bauch und einem Beutel dran entlassen.

Mit drei Monaten konnte die OP (Schlitzung der Urethralklappen) durchgeführt werden. Um zu vermeiden, dass sich weiterhin Urin in der Niere aufstaut, wurde eine weitere OP vorgenommen. Das Nierenbecken wurde quasi rechts ausgeleitet (Anlage eines Pyleostomas). Theo hatte nun ein Loch auf der rechten Seite, wo immer Urin austrat. Es klebte natürlich ein Beutel darauf, das sog. Stoma. Dann waren wir bald den blöden Katheter mit Beutel los. Wir mussten häufig zu Kontrollen in die Klinik und wegen den Harnwegsinfekten waren wir auch ein paar Mal auf Station.

Mit einem Jahr machte man eine spezielle Blasendruckmessung und ein Szintigramm um das Ausmaß der Problematik mit den Harnwegen vernünftig beurteilen zu können. Um zusätzlichen Druck beim Wasserlassen zu vermeiden, wurde Theo noch beschnitten. Die Blase wurde medikamentös behandelt und regenerierte sich bald völlig. Nur der rechte Harnleiter, der riesig und rückläufig war, machte uns noch Sorgen.

Kurz darauf musste der Kleine an die Dialyse. Man hatte uns schon Anfangs gesagt, dass es wohl erfahrungsgemäß nach einem Jahr nicht mehr ohne Dialyse gehen würde. Wir waren einerseits froh, dass es so lange ohne Dialyse geklappt hatte, andererseits waren wir aufgeregt und fertig.

Im Nierenzentrum für Kinder und Jugendliche in Memmingen entschlossen wir uns für die Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse: PD). Theo bekam einen Dialysekatheter (Tenckhoff Katheter) in die Bauchdecke eingepflanzt. Wir waren ca. zwei Wochen stationär in Memmingen. Um die PD ordnungsgemäß durchführen zu können, wurden wir Eltern geschult. Seitdem machen wir jede Nacht PD. Man baut den Cycler (Dialysemaschine von Fresenius) vorschriftsmäßig und hygienisch auf und schließt Theo dann an. Es sind unruhige Nächte und tagsüber muss man auf den Schlauch aufpassen. Der Schlauch muss sauber bleiben, denn sonst handelt man sich evtl. eine Bauchfellentzündung ein. Zum Glück hatte Theo noch keine.

Mit Beginn der Dialyse kam Theo auf die Transplantationsliste bei Eurotransplant. Vorher waren wir zur Voruntersuchung in Freiburg und bei verschiedenen Ärzten am Heimatort. Ab sofort mussten wir immer und überall erreichbar sein. Im Zeitalter des Handys ja eigentlich kein Problem, aber wenn man an Orte ohne Empfang fährt, macht einen das doch etwas nervös.

Mit 18 Monaten kam dann der ersehnte Anruf. Ruck zuck Koffer gepackt und los. Überglücklich und total aufgeregt fuhren wir, mitten in der Nacht, nach Freiburg. Es war noch Zeit verschiedenste Untersuchungen vorzunehmen, und einige Stunden Dialyse zu machen. Mit der Transplantation wurde ihm noch die rechte Eigenniere mit Harnleiter entfernt und das Stoma verschlossen. Der Tenckhoff Katheter blieb vorsichtshalber im Bauch. Nachdem die OP viel länger als geplant dauerte, wurden wir nervös. Nach der OP erklärte man uns, dass die Spenderniere nicht richtig durchblutet sei und sie Theo deshalb bald nochmal operieren müssen. Nach der zweiten OP war immer noch nicht sicher, ob die Niere laufen würde. Man machte bald darauf eine Biopsie von der Niere. Sie war nicht durchblutet und schon am Absterben. Nach zehn Tagen musste man die neue „Hoffnung“ wieder entfernen. Dann war Theo noch kurz vor einer Bauchfellentzündung. Er hatte einen Pilz (Windelsor) im Bauchfell. Nachdem der Tenckhoff Katheter noch da war, konnte man bald wieder mit der PD anfangen.

Wenigstens wurden wir das Stoma, dass ständig undicht wurde, los. Die Wartezeit bei Eurotransplant ging Gott sei Dank nicht verloren. Nun ging die Warterei weiter.

Nach vier Wochen Freiburg waren wir wieder daheim und päppelten Theo wieder auf. Er war dürr und erschöpft. Wir waren übermüdet, von Kreuzschmerzen geplagt und einfach froh wieder zu Hause zu sein.

Nachdem wir vier Monate gegen den Pilz gekämpft hatten und ihn nicht loswerden konnten, musste der Tenckhoff Katheter raus. Wieder eine OP. Theo wurde deshalb ein anderer Katheter (Vorhofkatheter) in der Nähe des Schlüsselbeins eingesetzt. Nun hatte der Kleine 14 Tage Hämodialyse (Blutwäsche) vor sich. Ein Kleinkind dreimal die Woche, vier Stunden lang zu bespaßen und zu beruhigen ist echt anstrengend. Als der Pilz nicht mehr nachweisbar war, konnte man einen neuen Tenckhoff Katheter einpflanzen. Seitdem läuft die PD ohne Probleme.

Unsere erste Familien-Reha stand ins Haus. Wir fuhren im Mai, für vier Wochen, nach Osttirol auf den Ederhof. Super „Urlaub“! Tolle Ausflüge, nettes Team, super Essen und die Unterkunft.... ein Traum. Wir wollen bald wieder hin!

Theo ist jetzt im Kindergarten und wir versuchen unser Leben so normal wie möglich zu leben. Eigentlich besser als normal. Wir genießen es ganz besonders. Wir versuchen immer das Positive raus zu holen und das gelingt uns mal mehr, mal weniger. Es ist definitiv kein leichtes Leben, aber es gibt Schlimmeres.